Ziliopathien
Der Begriff „Ziliopathie“ beschreibt keine strikt definierte Entität, sondern ein pathogenetisches Konzept – die Funktionsstörung primärer (unbeweglicher) und beweglicher Zilien. Primäre Zilien sind sensorische Organellen der Zelloberfläche und des Extrazellularraums, die über die Detektion extrazellulärer Signale zelluläre Prozesse steuern. Bildung, Erhaltung, Disassemblierung, Proteintransporte und Signalwege erfordern die Funktion tausender Gene, von denen fast 700 bekanntermaßen in den Zilien lokalisieren oder ziliäre Funktionen innehaben.
Pathogene Varianten in solchen „ziliären Genen“ können zu einer Vielzahl vererbbarer Erkrankungen führen. Diese „Ziliopathien“ können, entsprechend der Rolle von Zilien in praktisch allen Zelltypen, nahezu alle Organe betreffen und reichen von Entwicklungsdefekten mit angeborenen Fehlbildungen bis zu spät-manifestierenden Dysfunktionen einzelner Organe; besonders häufig sind Netzhaut und Nieren betroffen.
Mit Kenntnis der zugrunde liegenden genetischen Variante(n) und des Vererbungsmusters können Anlageträger:innen innerhalb einer Familie schnell identifiziert werden. Patient:innen und deren Angehörige erhalten somit auch wertvolle Informationen zur Wiederholungswahrscheinlichkeit bei Kinderwunsch.
Beispiele von Erkrankungen, die als Ziliopathien im engeren Sinne gelten können, sind
- Bardet-Biedl-Syndrom (BBS)
- Heterotaxien
- Jeune asphyxierende Thoraxdystrophie (JATD)
- Joubert-Syndrom (JBTS)
- Leber’sche kongenitale Amaurose (LCA), retinale Dystrophien (einige Subtypen)
- Meckel-Gruber-Syndrom (MKS)
- Nephronophthise (NPHP)
- Oro-fazio-digitales Syndrom (OFD)
- Polydaktylie
- Polyzystische Nierenerkrankung (PKD)
- Primäre ziliäre Dyskinesie (PCD)
- Senior-Løken-Syndrom (SLSN)
- Usher-Syndrom (USH)
Warum Bioscientia?
Auf der Basis unseres langjährigen Expertenwissens und umfassenden Analysenangebots, gewährleisten wir die ganzheitliche Diagnostik im Bereich der Ziliopathien. Wir bieten darüber hinaus eine hochqualifizierte und persönliche genetische Beratung an, um Ratsuchende auf dem Weg zur Diagnose bestmöglich unterstützen zu können.
Forschung: Durch die Identifizierung neuer Gene u.a. für das Joubert-Syndrom (PMIDs: 21633164, 26386247), Usher-Syndrom (PMIDs: 20440071, 11138009, 17171570) und retinale Ziliopathien (PMIDs: 25044745, 36862503) tragen wir kontinuierlich zu einem besseren Verständnis dieser Erkrankungsgruppe bei.
Publikationen:
- Identifizierung des KIF7-Gens für Joubert-Syndrom Typ 12 (JBTS12); PMID: 21633164
- Identifizierung des KIAA0586-Gens für Joubert-Syndrom Typ 23 (JBTS23); PMID: 26386247
- Identifizierung des retinalen Modifiers und digenischen Usher-Syndrom-Gens PDZD7; PMID: 20440071
- Identifizierung des Gens für Usher-Syndrom Typ 1D (USH1D); PMID: 11138009
- Identifizierung des Gens für Usher-Syndrom Typ 2D (USH2D); PMID: 17171570
- Identifizierung von POC1B-Mutationen als Ursache einer schweren retinalen Ziliopathie; PMID: 25044745
- Identifizierung von CEP162-Mutationen als Ursache einer spät-manifesten retinalen Ziliopathie; PMID: 36862503